Was ist eine Psychose?

03.04.2021

Menschen, die eine Psychose haben, haben eine veränderte Wahrnehmung. Nicht jeder hört allerdings Stimmen. Ich z.B. habe nie Stimmen gehört.

Zunächst hatte ich das Gefühl, dass mich alle Menschen anschauen und dann, dass sie wohl über mich reden. Irgendwas war nicht gut. Ich versuchte mir zu erklären, warum sich andere Menschen so komisch verhielten und habe mir ein ganzes Netz von Wahnvorstellungen zusammengesponnen. Ich hatte Verfolgungswahn und das Gefühl, überall beobachtet zu werden. Nicht nur durch mein Handy bzw. Smartphone würde ich überwacht, ich hatte auch einmal das Gefühl, dass mich eine Frau auf einem gemalten Bild an der Wand immerzu anschaute (und mich verurteilte). Oftmals waren es negative, wertende Gedanken anderer, die ich zu spüren glaubte. Viele dieser Bewertungen waren auf einer ethischen oder moralischen Ebene, seltener hatte ich das Gefühl, dass Leute mich für kriminell hielten. Ich wollte erklären, dass ich nicht so sei, wie sie über mich dachten. In Wahrheit waren das wohl meine eigenen Gedanken, die ich auf andere Menschen projizierte. Ich hatte Schuldgefühle und mochte mich selber nicht. Ich hatte sehr strenge Anforderungen an mich selber, war perfektionistisch. Im psychotischen Zustand reagierte ich jedoch nicht mehr rational auf Erklärungen meines Umfelds. Ich wusste mehr als die "Vernünftigen" und konnte das aber nicht erklären. Man kann auch nicht beweisen, dass jemand einen eine halbe Sekunde "zu lang" anschaut oder die Stirn gerunzelt halt oder die Zunge rausgestreckt hat oder dass Klaviermelodie einem Angst macht, weil der Text dieses Liedes etwas für einen bedeutet, was andere nicht verstehen.

Es brauchte viele Jahre, bis ich lernte, meine Gefühle selber wahrzunehmen und noch weitere Jahre, bis ich darüber sprechen konnte. Das vorherrschende Gefühl in meinen ersten Psychosen war Angst aber auch Scham und Schuldgefühle gehörten dazu. Meiner Meinung nach liegt das unter anderem an der christlichen (katholischen) Lehre, die ich in meiner Kindheit und Jugend erfahren hatte und von welcher unsere Gesellschaft seit Jahrhunderten stark geprägt ist. Ich möchte an dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass Kirche und Glaube und Religion ganz unterschiedliche Begriffe sind und ich will das auch nicht alles "verteufeln". Aber erst durch meine Psychosen habe ich meinen Glauben an Gott bzw. das Gute oder Göttliche, was in jedem von uns ist, gefunden. Vielleicht war das der Grund für meine Psychosen. Vor meiner ersten Psychose hatte ich mich als Atheistin oder Agnostikerin bezeichnet. Durch meine Psychosen habe ich erlebt, dass es noch ganz vieles auf der Erde gibt, was wir nicht erklären können und ich habe auch wunderschöne Dinge erlebt. Zum Beispiel habe ich im psychotischen Zustand bemerkt, wie alles miteinander verbunden ist. Alles ist Kommunikation. Ich habe z.B. gespürt, wie mich Bäume beim Vorbeigehen begrüssten indem sie mit einem einzelnen Blatt "winkten" oder einmal ist ein Reh unmittelbar vor mir stehen geblieben. Beweisen kann ich das alles eben nicht, auch wenn ich mich sehr gut daran erinnere. Andere Erinnerungen würde ich gerne vergessen, hauptsächlich diejenigen, die ich in psychiatrischen Kliniken machen musste. Auch da war nicht alles schlecht, aber meiner Meinung nach bieten stationäre Aufenthalte auf einer Akutstation kaum etwas davon, was Menschen in einer akuten Psychose brauchen. Das wäre nämlich in erster Linie Ruhe, Reizarmut, Schlaf, Gespräche, bei denen man ernst genommen wird und einem richtig zugehört wird, ohne das Gesagte zu bewerten. Arbeitstherapie hat mir geholfen und Ergotherapie, basteln, werken, Wäsche zusammen legen, malen, töpfern, gärtnern. Dies half mir, den Fokus weg vom Gedankenkreisen zu holen und die unzähligen Gedanken in Kreativität auszuleben.