Liebe

03.06.2021

Man kann ja mutig sein und trotzdem Angst haben. Wenn es etwas wichtigeres gibt, kann man seine Angst manchmal überwinden. Und Hass ist auch nicht das Gegenteil von Liebe. Vielleicht ist es Gleichgültigkeit? Aber das ist eher neutral oder? Ich glaube, das Gegenteil von Liebe könnte auch Angst sein. Trauer ist der Preis der Liebe. Gehört also eigentlich auch zur Liebe. So wie der Tod auch nicht das Gegenteil des Lebens ist, sondern dazu gehört.

Das Mantra eines wunderbaren Menschen, den ich auf einer Akutstation kennenlernen durfte, lautet: "Liebe, Glaube, Hoffnung". Und wenn ein Mann, der schon mehr Jahre in der Psychiatrie als sonstwo verbracht hat, nicht weiss, worauf es im Leben ankommt, wer dann?

Ich durfte so viele liebe Menschen kennenlernen in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und damit meine ich hauptsächlich die Patienten und Patientinnen. (Ja, es gibt auch wirklich gute Fachpersonen.) Obwohl ich mich nicht mehr an alle Namen erinnern kann, würde ich mich gerne bei euch bedanken.

Ihr habt für mich den Aufenthalt in der Klinik erträglich bis sogar ab und zu angenehm gemacht. Und das ist ein gigantisches Kompliment, auch wenn das nicht so euphorisch klingt. Denn wenn man am liebsten sterben möchte, ist "erträglich" schon fast unerreichbar. Ihr habt mich zum Lachen gebracht, mich getröstet, mir sogar Geschenke gemacht und mir eure Freundschaft geschenkt. Auch wenn wir keinen Kontakt mehr haben, denke ich noch oft an euch und ihr habt einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Das ist ja auch eine Art von Liebe (ich meine das jetzt nicht so Hollywood-Style) und ich glaube, das war auch das Heilmittel für meine Angst. Und viel gesünder als Temesta. Inzwischen bin ich dabei, mich selbst lieben zu lernen. Ich hab mal damit angefangen, dass ich versuche, mir eine gute Freundin zu sein. Vielleicht entwickelt sich daraus etwas ernstes :) Hoffen wirs mal. Ich glaube daran.