Liebe Fachpersonen

17.04.2021

Mit diesem Brief möchte ich euch wissen lassen, dass ich euch verziehen habe. Ihr wolltet mir helfen und habt dabei das getan, was ihr für richtig gehalten habt. Es hat sich für mich nicht richtig angefühlt und tut es auch heute noch nicht. Aber ihr habt nach eurem Wissen und Gewissen gehandelt. Leider ist vieles, was die westliche Medizin über Psychiatrie lehrt, Blödsinn. Nehmen wir mal die Dopaminhypothese. Es ist wirklich nur eine Hypothese, sie wurde nie bewiesen. Das habe ich nachgelesen. Es gibt also keinen Beweis, dass man eine Psychose zum Verschwinden bringen kann, indem man Neuroleptika einnimmt bzw. verabreicht. Neuroleptika haben zwar die Wirkung, die körperliche Aktivität und das Denken zu verlangsamen bzw. auch Emotionen zu dämpfen und zu beruhigen. Aber bei mir ist bei keinem Neuroleptika (und ich musste viele probieren) meine Angst verschwunden. Vielleicht wirkte ich äusserlich ruhiger aber innerlich wurde mein Leiden nur grösser. Ich habe gelernt, dass ich am besten nichts sage, weil sonst alles gegen mich verwendet wird.

Das fiese an der Definition von Schizophrenie ist ja, dass auch die "fehlende Krankheitseinsicht" ein typisches Symptom davon sein soll. Wenn ich also (berechtigte) Zweifel an der Wirksamkeit von Neuroleptika äussere, kann das auch als Symptom der Krankheit interpretiert werden. Folglich wäre ich dann nicht urteilsfähig in Bezug auf meine medikamentöse Behandlung und man könnte mich unter Umständen zwangsbehandeln mit Medikamenten in Form einer Depotspritze. Soweit ist es zum Glück nie gekommen. Da ich eingeknickt bin und zu meinem Schutz (um keine Spritze zu bekommen) die Tabletten geschluckt habe. An dieser Stelle denke ich insbesondere an eine bestimmte Pflegerin, nennen wir sie Frau S. Sie hat zu mir gesagt: "Sie können die Tabletten nehmen oder wir können Ihnen auch eine Spritze geben". Dass sie damit den Tatbestand der Drohung nach StGB erfüllt, war ihr wohl auch nicht bewusst. Eine Spritze geben gegen den Willen der betroffenen Person ist eine Körperverletzung. Um diese zu rechtfertigen, braucht es wirklich gute Gründe. Und meiner Ansicht nach ist die gelehrte Dopaminhypothese kein hinreichender Grund. Naja, beweisen kann ich ja nichts - es würde Aussage gegen Aussage stehen und wer glaubt einer Psychiatriepatientin? Wahrscheinlich hat Frau S. das alles längst vergessen aber ich kann es nicht vergessen. Ich kann Frau S. aber verzeihen und zwar für meinen Seelenfrieden. Sie wusste nicht, was sie mir angetan hat und hat es vermutlich zu meinem Besten gemeint. Vielleicht auch ein bisschen zu ihrem Besten, weil sie ihre Ruhe vor mir haben wollte. Auch das verstehe ich, ich glaube, ich war schon auch ziemlich nervig. Eigentlich finde ich, dass die Fachpersonen auf einer Akutstation das aushalten können müssten aber vielleicht hatte sie gerade einen schlechten Tag. Oder schlechte Monate eher. Sie war nämlich nicht nur einmal gemein zu mir. Ich habe sie gefragt, was das für Medikamente sind (bei der morgendlichen Medikamentenausgabe) und ihre Antwort darauf war, dass sie mir das gestern schon erklärt habe. Nun ja, meine Konzentration und das Gedächtnis sind in akuten Phasen wirklich nicht gut. Mein Gehirn ist dann mit tausend anderen Sachen beschäftigt und nicht so aufnahmefähig. Aber wenn das jemand verstehen müsste, doch am ehesten Fachpersonen, oder? Ich würde mir ein bisschen mehr Geduld und Verständnis wünschen von Frau S. und ihren Kollegen und Kolleginnen.

Ich versuche euch auch zu verstehen. Sicherlich habt ihr nicht deshalb euren Beruf gewählt, weil ihr gerne Leute bedroht und am liebsten am Computer sitzt während alle sabbernd im Bett liegen. Wahrscheinlich habt ihr diesen Beruf gelernt, weil ihr gerne Menschen helfen wollt. Leider ist das Gesundheitssystem heutzutage nicht so konzipiert, dass ihr viel Zeit habt, uns Patienten zu zuhören, auf uns einzugehen, mit uns vielleicht Spiele zu machen oder einen Spaziergang. Ihr habt meistens gar keine Zeit dazu. Das ist echt scheisse und ihr könnt auch nichts dafür, genau so wenig wie wir. Aber bitte versucht nicht, eure menschliche Seite zu verstecken. Ihr müsst nicht kalt sein um professionell zu sein. Im Gegenteil. Meiner Ansicht nach ist Sympathie zentral für Vertrauen und das Vertrauen in die Behandler ist die Voraussetzung um sich wohl zu fühlen und gesund zu werden. Einmal habe ich eine Pflegerin mit Tränen in den Augen gesehen. (Sie hat nicht meinetwegen geweint). Ab diesem Zeitpunkt fühlte ich mich ihr viel näher. Es ist schön, wenn Menschen Gefühle haben. Auch wenn ihr Fachpersonen seid, bleibt ihr Menschen. Ihr müsst nicht und solltet keine Roboter sein um euch selbst zu schützen oder abzugrenzen. Die Grenze zwischen Patienten und Fachpersonen ist eigentlich nur künstlich geschaffen. Patienten sind nicht "nur" Patienten. Und Fachpersonen sind nicht "nur" Fachpersonen. In erster Linie sind wir alle Menschen. Die einen durchstehen gerade eine akute Krise und die anderen arbeiten, um ihnen zu helfen. Eigentlich haben wir also das gleiche Ziel. An dieser Stelle möchte ich mich dafür bedanken, dass ihr euer Bestes gebt, damit es den Patienten bald besser geht. Ich habe auch viele gute Erfahrungen in der Psychiatrie gemacht. Es sind oft Kleinigkeiten gewesen, die für mich einen Unterschied gemacht haben. Denkt bitte nicht, dass diese kleinen menschlichen Gesten unwichtig sind. Sie haben mich am Leben gehalten und mir Mut gemacht um weiterzukämpfen für meine Gesundheit.

Freundliche Grüsse und gute Gesundheit

wünscht euch

E