bewusst sein
Meine Psychosen haben mein Bewusstsein erweitert. Einerseits während akuten Psychosen durch die offenere Wahrnehmung ... Andererseits hat sich meine Einstellung zum Leben grundlegend verändert. Früher habe ich nur auf Beweise vertraut. Heute ist mir bewusst, dass es noch sooo... vieles zwischen Himmel und Erde gibt, das die Wissenschaft nicht erklären kann. Ich finde zwar exakte Wissenschaften wie etwa Mathematik immer noch sehr interessant.
Aber fast alles andere in unserem Leben, was wir zu wissen glauben - und wenn es noch so wissenschaftlich angepriesen wird - sind doch eigentlich nur Erfahrungswerte oder Hypothesen, die bestensfalls durch Erfahrungen bzw. Forschung statistisch glaubwürdig sind (keine Beweise). Nur weil es 999 Mal so funktioniert hat, heisst es (für mich) aber nicht, dass es immer so ist. Niemand ist eine Statistik. Es gibt immer wieder ganz erstaunliche Ausnahmen von der Regel. Es wäre ja auch keine Regel, wenn es keine Ausnahme gäbe. Dann bräuchte es nämlich keine Regel. Versteht das irgend jemand? (Es wäre einfach so, wie es ist, wenn es nicht meistens so wäre aber "meistens" heisst eben gerade nicht "immer".)
Es fällt mir gerade ziemlich schwer, meine Gedanken verständlich zu machen. Erstmal sortieren. Deshalb tut mir Schreiben auch gut. Ich habe manchmal einfach fast zu viele Gedanken. Man könnte das wohl ADS nennen oder "zu viel Fantasie". Aber vielleicht bin ich auch genau richtig so, wie ich bin :) Das hat auch etwas mit Bewusstsein zu tun. Wenn man sich bewusst ist, wie man sich selber sieht (z.B. als "krank" oder "süchtig") dann ist man es auch. Die Gedanken und die Sprache haben so eine unglaubliche Wirkung. Damit will ich aber nicht zum "positiv Denken" aufrufen oder alles schönreden. Im Gegenteil, ich finde man sollte auch mal "negativ" denken und fühlen dürfen. Wobei diese Wertung von positiven und negativen Gedanken und Gefühlen meiner Meinung nach eh Quatsch ist.
Nehmen wir zum Beispiel die Trauer. Soll ja ein negatives Gefühl sein... man darf zwar mal Tränen zeigen, wenn wirklich etwas Schlimmes passiert ist, wie etwa ein Todesfall in der Familie oderso. Aber "grundlos" weinen ist schon wieder übersensibel. Man darf also vernünftig traurig sein. Aber auch dann sind wir eigentlich froh, wenn es möglichst schnell wieder weggeht und wir wieder normal sind. Ich habe mal gelesen, dass Trauer der Preis der Liebe ist. Das finde ich mega überzeugend. Also eigentlich so gesehen auch ein "positives" Gefühl. Denn es beweist, dass man wirklich lieben kann...
Ich wäre dafür, dass man alle Gefühle anerkennen und wertschätzen sollte. Wirklich alle Gefühle? Irgendwie schon, ja. Man muss es ja nicht öffentlich machen, sondern vielleicht erstmal für sich selber... "ich bin jetzt neidisch und das ist gut so wie es ist" (vielleicht zeigt es einem z.B. was man sich noch wünscht, von daher auch ein gesundes Gefühl, das uns die Richtung zeigen kann). Kein Mensch ist perfekt. Und manchmal sind Menschen wütend (sogar anständige, gut erzogene, erwachsene, vernünftige Menschen...). Und wenn wir z.B. Wut unterdrücken, wird uns so ein Druck früher oder später (körperlich oder psychisch) krank machen.
Sich selber bewusst wahrnehmen. Selbst-bewusstsein... Mir selber den Raum zugestehen, den ich brauche. Sind gerade so Themen, die mich beschäftigen. Ich darf "ich" sein. Ich bin gut so, wie ich bin. Ohne mir eine Definition oder einen Stempel audrücken zu lassen. Von mir aus könnt ihr mich psychisch krank nennen. Ich kann davon sprechen, dass mir die Diagnose Schizophrenie gestellt wurde und dass ich mehrere Psychosen hatte. Aber krank bin ich nicht. Oder ich bin "krank" gemäss unserem gesellschaftlichen medizinischen Verständnis. Im Sinne von, dass ich nicht 100% Arbeitsfähig in unserer Arbeitswelt bin. Die ich allerdings nicht gesund finde.
Von daher halte ich mich an Erich Fromm. Der hat in den 1970er Jahren schon gesagt "die Kranken sind die Gesündesten" und "wie glücklich der, der einen Schmerz hat, wenn ihm etwas fehlt". Leider habe ich erst vor ca. zwei Jahren erstmals von ihm gehört. Die Meinung, dass unser System krank ist, hat sich wohl noch nicht durchgesetzt.
Aber es ist zumindest bei mir in den letzten Jahren sehr viel passiert. Mein Erfahrungswissen ist auch Macht, zumindest hat es meine Eigenmacht gestärkt. Dadurch, dass ich mich mit Peers austauschen konnte, habe ich mich endlich verstanden gefühlt. Verständnis ist das, was sich jeder Mensch wünscht. Und Verständnis ist auch die Grundlage für Liebe. Wenn ich mich selber verstehe, kann ich mich auch lieben. Das führt dann wohl zu Selbst-Bewusst-Sein.